Haushaltsrede der Fraktionssprecherin Annette Floyd-Wenke DIE LINKE. im Rat der Stadt Rheine

DIE LINKE. Rheine

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

entgegen den Annahmen von Bürgermeister und Kämmerer wird die Kreisumlage nicht erhöht. Das ist eine gute Nachricht, die sich direkt auf den Haushalt unserer Stadt auswirken wird.

 

Und doch bleiben die Warnungen vor schwächelnder Konjunktur, vor weniger öffentlichen Zuwendungen bei steigenden Aufwendungen und es wird von weniger Steuereinnahmen ausgegangen. Aufgrund dieser Prognosen sei es schwierig, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Es sei ein Kraftakt gewesen. Dennoch ist es gelungen, einen leichten Überschuss auszuweisen, der nun durch die Kreisumlage noch verbessert werden kann.

 

So, oder ähnlich, haben Bürgermeister und Kämmerer den Haushaltsentwurf in den vergangenen Jahren immer wieder eingebracht. Auch dieses Mal wird von Geschenken gesprochen, die nicht verteilt werden können. Damit ist die Senkung der Grundsteuer B gemeint. Wir liegen im Durchschnitt und das müssen wir, die Bürgerinnen und Bürger, eben so hinnehmen. Bei der Gewerbesteuer hingegen, die seit 2011 nicht erhöht wurde, wird mit einem rekordverdächtig geringen Hebesatz geprahlt, und doch genau damit großzügig Geschenke an die Wirtschaft verteilt.

 

Wie jedes Jahr wird die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben für eine vermeintlich bedrohliche Finanzlage herangezogen, so dass im Verwaltungsvorstand konsequent das Ziel verfolgt wird, keine zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen.

 

So werden sogenannte freiwillige Aufgaben also als lästig, unnötig zusätzlich und als nur bei einem auskömmlichen Haushalt machbare Wohltat verstanden und so dem Bürger auch kommuniziert. Diese Haltung konnte ich explizit auf einer Tafel niedergeschrieben wiederfinden, die beim Bürgerdialog Unser Rheine 2030 unter der Rubrik Haushalt ganz konkret Vorschläge zur Reduzierung oder Streichung solcher Aufgaben erwartete. Das muss man sich mal vorstellen: Da werden tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger dazu aufgefordert darüber nachzudenken, was Verwaltung und Politik tun sollen, um ihnen Leistungen zu verwehren!

 

Wir finden das ungeheuerlich, sollen doch gerade freiwillige Leistungen für eine gute Lebensqualität sorgen. Sie zu ermöglichen ist sozusagen Hauptaufgabe der Kommunalpolitiker. Wir jedenfalls werden keine Politik betreiben, die darauf abzielt, Jugendeinrichtungen, Beratungsstellen oder Freizeiteinrichtungen zu privatisieren oder zu schließen. Ganz im Gegenteil, meine Fraktion wird weiter dafür streiten, mehr Investitionen in diesen Bereichen zu leisten. Das verstehen wir auch unter Generationengerechtigkeit.

 

Selbstverständlich muss Kommunalpolitik auch ihre Gestaltungsmöglichkeiten bei der Frage des Wie zur Ausführung pflichtiger Aufgaben nutzen. Betrachten wir die vorgeschlagenen Haushaltsansätze, so gehen wir keineswegs konform mit Verwaltung und den Mehrheitsfraktionen dieses Rates.

 

Welche Entscheidungen hier getroffen werden und welche Handlungsmöglichkeiten für die anstehenden Projekte bestehen, kann und muss unserer Auffassung nach unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in einem anhaltenden Dialog erarbeitet werden. Auch, wenn es, wie der Bürgermeister betont, anstrengend und aufwändig ist.

 

Als kleine Fraktion, die in der Regel in diesem Rat nur selten Mehrheiten für ihre Vorschläge gewinnen kann und wenig mediale Aufmerksamkeit genießt, sind wir umso mehr erfreut darüber, dass ein vom Bürgermeister in seiner Rede aufgegriffenes Thema nun an Bedeutung gewinnt.

 

Aufgrund unseres Antrages befasst sich Politik und Verwaltung endlich auch mit sozialen Fragestellungen. Das heißt aber auch, das wird dauern. Im November 2018  baten wir in unserem Antrag zu einer Sozialberichterstattung um valide Daten zur Bevölkerung, zur Einkommensstruktur und zur Armut in unserer Stadt. Ein Jahr später wird uns mitgeteilt, dass bisher keine statistischen Angaben verfügbar seien.  Es sei schwierig, diese auch vom Kreis zu bekommen. Wenn der Bürgermeister aber ankündigt, eine  integrierte Sozialplanung vorzulegen, dann sind wohl die ersten Weichen gestellt.

 

So stellt der Bürgermeister, immerhin nach vier Jahren Amtszeit, nun die richtigen Fragen: Wie sieht das soziale Gefälle in unserer Stadt aus? Was können wir gemeinsam tun, um Benachteiligungen abzubauen? Und welche Möglichkeiten haben wir als Kommune, sozialen Ungerechtigkeiten und Bildungsbenachteiligungen zu begegnen? Die Antworten darauf erwartet er offenbar von uns, den Kommunalpolitikern und ich kann Ihnen versichern, da wird zumindest meiner Fraktion Einiges einfallen.

 

Meine Fraktion hat im vergangenen Jahr aber noch weitere Erfolge vorzuweisen. So haben wir Verwaltung und Rat davon überzeugen können, die Preisstruktur bei den Eintrittspreisen zu kulturellen Veranstaltungen gerechter zu gestalten und wir haben eine höhere Ermäßigung für Einkommensschwache erwirken können.

 

Der kulturelle Bereich gewinnt mit dem Kulturförderplan und den daraus entstehenden Möglichkeiten an Perspektive und das Projekt der Jugendkunstschule scheint vielversprechend, sofern es jedenfalls gelingen wird, allen Beteiligten Mitspracherecht einzuräumen und eine auskömmliche finanzielle Ausstattung zu bewerkstelligen.

 

Ebenfalls wurde mit der Arbeit an der Fortschreibung des Kinder- und Jugendförderplans ein guter und wie wir meinen, wichtiger Schritt hin zu mehr Beteiligung und hoffentlich auch Mitbestimmung der jungen Menschen in unserer Stadt getan. Wir haben festgestellt, dass es den wirklich engagierten Mitarbeiterinnen des Jugendamtes und den Jugendorganisationen mit neuen alters- und bedarfsgerechten Formaten gelungen ist, Handlungsfelder und Ziele zu erarbeiten, die ganz sicher unterstützt werden sollten, auch mit entsprechend finanzieller Ausstattung. Wir begleiten diesen Prozess gerne weiter.

 

Sollen alle Kinder und Jugendliche gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, dann müssen wir Ihnen auch Orte zur Verfügung stellen, in denen das gewährleistet ist. Ein Ort dürfte hier auch die Sporthalle in ihrer Schule sein. Es kann nicht angehen, dass wir auf der einen Seite die Vereine mit Mitteln zur Sanierung ihrer Sportstätten fördern und auf der anderen Seite die Sanierung der schulischen Sportstätten so sehr vernachlässigen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

 

Meine Damen und Herren, auch dieses Jahr fällt es mir schwer, nicht nur Handlungsfelder aufzuzeigen, die unserer Einschätzung nach nicht genug Beachtung finden.

Aber noch immer wissen wir nicht, wie der ÖPNV in unserer Stadt zukünftig aufgestellt sein wird. Entgegen anfänglicher Expertenmeinung und der Überzeugung der CDU ist das Vorhaben, sich die Finanzierung des Stadtverkehrs mittels eigenwirtschaftlichem Betrieb vom Halse schaffen zu können, kläglich gescheitert.
Dann wurden die Experten ausgetauscht und nun ist man ebenso überzeugt, dass mit einem neuen Versuch letztendlich doch noch Geld gespart werden kann.

 

Es mag ja grundsätzlich nicht schlecht sein, bei fehlender Expertise in der Stadtverwaltung, zusätzlich Experten zur Beratung hinzuzuziehen, allerdings sollten wir als Rat vor einer Entscheidung künftig genau prüfen, wessen Interessen bei diesen Einschätzungen verfolgt werden. Unsere Bürgerinnen und Bürger dürfen zu Recht erwarten, dass wir ihre Bedürfnisse voran stellen, denn nur vor diesem Hintergrund können wir verantwortliche Entscheidungen treffen.

 

Als Experten stehen uns auch die im Stadtgeschehen engagierten Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Sei es zu den Themen Innenstadt oder Radverkehr; ihre Vorschläge und Anregungen sind weit ernsthafter zu diskutieren, als es bisher geschah. Es reicht nicht, sich ab und an zu einem freundlichen Austausch zu treffen, nur um dann ihre Vorschläge „mitzunehmen“.

 

Nach wie vor sind wir der Meinung, dass der Haushaltsentwurf die falschen Prioritäten setzt. Investitionsmöglichkeiten und Handlungsspielräume werden durch falsch verstandene Sparpolitik eingeschränkt und eine Umverteilung der Lasten zum Ausgleich der auch bei uns bestehenden sozialen Ungerechtigkeiten, die diese zumindest abfedern könnten, sind nicht einmal ansatzweise zu finden.

 

Wir müssen unsere Haushaltspolitik mehr darauf ausrichten, die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger zu befriedigen.

 

Aber genau hier fehlt es an entscheidenden Impulsen: Wir brauchen mehr Engagement für gute, auskömmliche Arbeit, kostenfreie Kinderbetreuung, die Senkung der Grundsteuer B, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, Barrierefreiheit an allen öffentlichen Plätzen, um nur einige Punkte zu nennen.

 

Trotz alledem möchte ich ein Ereignis aus dem letzten Jahr nicht unerwähnt lassen, was mich persönlich zumindest sehr beeindruckt hat: Und das war die Kombination des Nikolausmarktes mit dem Ems-Zauber. Hier hege ich die Hoffnung, dass der Marktplatz nun jedes Jahr so weihnachtlich beschaulich gestaltet wird und

auch entsprechend Zuspruch erfährt. Mit dem anfänglich skeptisch betrachteten Event Ems-Zauber ist eine neue, ansprechende Veranstaltung gelungen, die unserer Wahrnehmung nach, viele Rheinenserinnen und auch auswärtige Besucher angesprochen hat.

 

Zum Schluss meiner Rede komme ich nicht umhin, Sie auf eine Beobachtung aufmerksam zu machen, die mir besonders im letzten Jahr zunehmend auffiel.

Es ist die Sprache, genauer gesagt, der Bürokraten- und Beamtenjargon, mit dem wir uns in den Vorlagen und Beratungen zu beschäftigen haben – und der auch zunehmend von einigen Vertretern der Fraktionen übernommen wird. Die ständige Wiederholung standardisierter Formulierungen, wie z.B. Bedarfe können nicht „abgebildet“ werden, ist nicht nur entbehrlich, sie tragen auch wenig dazu bei, unsere Mitbürgerinnen dazu zu animieren, sich für unsere Kommunalpolitik zu interessieren und schrecken ab, sich zu engagieren.

 

Die Ausdrucksweise, wie Verwaltung kommuniziert, sich also formelhaften und stereotypen Phrasen bedient, verkompliziert oft allgemein geläufige Zusammenhänge. Es ist wenig effektiv, Informationen, Fakten und Zusammenhänge zu erklären, ja es macht sie gar bedeutungslos.

 

Wissenschaftler habe das einmal untersucht und vermuten im Zusammenhang von Sprache und sozialer Identitätsbildung ein gewisses System, das ich hier nur kurz andeuten möchte:

 

Jener, der sich also dieser Verwaltungssprache bedient, macht deutlich, dass er sich nicht nur den Zielvorstellungen und Werten dieser Organisation angepasst hat, er identifiziert sich damit, geht konform und würde nichts tun, um die bestehende Ordnung zu gefährden. Aufschlussreich wird es dann, wenn der Zuhörer anfängt, sich ebenfalls dieses Sprachstils zu bedienen, denn er signalisiert damit sein Einverständnis und Entgegenkommen.

 

Umgekehrt lässt sich aber auch feststellen, dass wer sich unkonventionell und einfach klar äußert, der signalisiert, dass er eben nicht fraglos die akzeptierten Werte, Meinungen oder Autoritäten hinnimmt.

 

In diesem Sinne freue ich mich in diesem Jahr auf weniger ritualisierte Debatten,

auf klar übermittelte Informationen und einen offenen Austausch mit Ihnen.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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