Haushaltsrede 2024 der Fraktionssprecherin Annette Floyd-Wenke im Rat der Stadt Rheine am 19.03.2024
Meine Vorredner haben zu den Zahlen des uns vorgelegten Haushaltsplanentwurfs
bereits Stellung genommen Ebenso wie sie bin ich erleichtert, dass wir einer
Haushaltssicherung entgehen können. Durch Anpassungen in den Fachbereichen
und einigen, mir noch immer nicht ganz verständlichen Kunstgriffen, ist es letztlich
der Verwaltung zu verdanken, dass Rheine noch handlungsfähig bleibt.
Da aber eine Verbesserung der Finanzlage in den nächsten Jahren nicht in Aussicht
steht, komme ich nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass ich in meinen vergangenen
Haushaltsreden immer wieder vor der Tücke der Kassenkredite gewarnt habe und
eine Erhöhung der Gewerbesteuer gefordert habe.
Das nun findet sich sowohl in den Einschätzungen des Kämmerers, als auch in den
Erwägungen des Bürgermeisters wieder. Dann kann eine „linke“ Beurteilung– ja wohl
nicht ganz so abwegig oder unvernünftig sein, nicht wahr?
Wir werden also diesem Haushaltsplanentwurf zustimmen, alles andere wäre
destruktiv.
Wir erkennen an, dass insbesondere im Sozialbereich keine direkten Kürzungen
vorgesehen sind und dass bei aller Sparsamkeit doch noch wichtige Projekte
fortgeführt werden und die Stadt weiter investiert. Investitionen, sofern sie sinnvoll
sind, stellen einen wichtigen Gegenwert zu aufgenommenen Schulden dar und sind
daher als unschädlich zu bewerten.
Dennoch – und hierzu fällt mir die letzte Haushaltsrede von Silke Friedrich von der
Fraktion Bündnis 90/die Grünen ein – ist auch dies kein nachhaltiger
Haushaltsplanentwurf. Ja, im Idealfall kann und sollte eine Kommune, und hier meine
ich ausdrücklich auch mit Bürgerbeteiligung, für mehrere Jahre einen gut
strukturierten, politisch priorisierten Haushaltsplan aufstellen, der die
Finanzgeschäfte an den Bedarfen der Bürgerinnen und Bürger ausrichtet.
Nur kann und wird dies nicht gelingen, insoweit weder Land noch Bund ihren
Verpflichtungen gegenüber den Kommunen nicht nachkommen. Wenn wir hier in
Rheine nicht wissen, welche Kosten für Pflichtaufgaben von wem, in welcher Höhe
und wie lange übernommen werden, dann hilft alles Planen nichts.
Fraktionsübergreifend stellen wir fest:
Es fehlen die Signale der Fraktionen im Landtag genauso, wie durchsetzungsfähige,
auch in hartem Ringen auszuhandelnde Optionen in der Bundesregierung, die
endlich die Aufgaben der Kommunen gerecht und sozial finanzieren.
Zugegeben, unsere Bundesregierung sieht sich mit außergewöhnlichen
Problemlagen in der Weltpolitik konfrontiert, wer aber seine Innenpolitik
vernachlässigt, verliert Wählervertrauen und leistet destruktiven Kräften Vorschub.
Es klingt wie eine abgedroschene Phrase, aber wir hier im Stadtrat, im Kreistag und
Sie auch auf Landes- und Bundesebene: Machen Sie endlich mehr Druck auf Ihre
politische Prominenz. Sie lassen sich fast jede Woche zu irgendeinem Anlass mit
Ihren Bundestagsabgeordneten ablichten, sind sich immer so einig, wofür Sie sich
einsetzen – nur – was folgt daraus? Welchen spürbaren Nutzen haben unsere
Bürger und Bürgerinnen in Rheine? Das muss Sie doch umtreiben!
Auch meine Fraktion macht sich ernste Gedanken über die künftige Finanzlage
unserer Stadt.
Der Rat hat doch gemeinsam beschlossen, dass alles Finanzrelevante ergebnisoffen
betrachtet und beraten werden muss, um Möglichkeiten zu eröffnen, einen
ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können. Wollen wir dies nachhaltig und für
die nächsten Jahre planbar umsetzen, so scheint es doch unerlässlich, sich
kontinuierlich mit der strategischen Ausrichtung unserer städtischen Ziele (Unser
Rheine 2030) – und hier meine ich auch die unserer
Wirtschaftsförderungsgesellschaft - auseinanderzusetzen.
Dazu gehört eine gründliche Evaluation und kritische Betrachtung der bisher
durchgeführten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit. Wir haben in den vergangenen
Jahren zahlreiche Förderprogramme, insbesondere in den Bereichen Stadtplanung
und Soziales in Anspruch genommen. Für die Umsetzung dieser Programme gingen
wir Verpflichtungen ein, die neben unserem finanziellen Anteil uns auch auf Jahre
binden.
Meine Fraktion wünscht sich hier eine nach Fachbereichen aufgeführte Auflistung
sämtlicher Projekte, für die wir uns aktuell an Förderprogrammen beteiligen.
Betrachtet man einzelne Förderprogramme, so wird man feststellen, dass ein
Großteil der Mittel für Personalaufwendungen bereitgestellt wird, die dann in den
Folgejahren häufig zu einem verstetigtem Personalaufwuchs führen. Wir sollten vor
Antragstellung daher auch prüfen, ob die städtischen Aufwendungen mit dem zu
erwartendem Nutzen des Projektes vereinbar sind.
Unsere Bedenken und unsere Kritik an den Entscheidungen des letzten Jahres
lassen sich an folgenden Beispielen konkretisieren:
1. Bei der Änderung der Abfallentsorgung wirkte sich insbesondere die
Altpapiersammlung nachteilig für die Bürgerinnen und Bürger aus. Zumindest
bei Mietverhältnissen füllen sich, dem Online-Handel wohl hauptsächlich
geschuldet, die Keller mit Kartonagen, die nicht mehr neben die Mülltonnen
gestellt werden können.
2. Die Preisgestaltung des neuen Combibades wurde nicht nur von meiner
Fraktion kritisiert, für viele Bürgerinnen und Bürger ist sie ebenfalls nicht
nachvollziehbar.
3. Nach wie vor mahnen wir eine signifikante Erhöhung des Anteils an
gefördertem Wohnungsbau im Wohnraumversorgungskonzept an.
4. Leider zeigte sich auch, dass die intensive Erarbeitung von Leitlinien für mehr
Bürgerbeteiligung trotz Beteiligung externer Berater bisher nicht den erhofften
Effekt hat. Wir erwarten mit Spannung die Ergebnisse einer ersten Evaluation.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben im vergangenen Jahr wiederum unsere Ideen und
Verbesserungsvorschläge über Anfragen und mit Anträgen in die Fachausschüsse
eingebracht. Wir haben uns aktiv an Arbeitskreisen und Beratungen beteiligt. Einige
Male haben wir mit anderen Fraktionen und der Verwaltung wirklich gut
zusammengearbeitet. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken.
Aber in Anbetracht der angespannten politischen Lage in unserem Land, der Sorge
um einen Krieg in Europa, ja der ganzen Welt, da kommt es mir so vor, als müssten
wir hier viel intensiver gemeinsam an vernünftigen Lösungen für unsere Probleme
arbeiten. Ich meine, wir alle sollten uns mehr und konkreter mit der Frage
auseinandersetzen, wie wir zukünftig das Leben in unserer Stadt gestalten und
verbessern wollen.
Dass wir uns über prinzipielle Fragen einig sind, hat doch die Kundgebung zum
Schutz unserer Demokratie deutlich gezeigt. Das müssen wir fortsetzen. Unter dieser
grundsätzlichen Prämisse und dem Gebot der Akzeptanz unterschiedlicher
Ansichten lässt sich, und da bin ich mir sicher, sowohl dem populistischen Irrweg der
Rückwärtsgewandten begegnen, als auch eine Arbeitsatmosphäre schaffen, in der
wir gemeinsame Ziele erarbeiten und verwirklichen können.
Allgemeine Sorgen, Zukunftsängste und Verunsicherung treiben auch unsere
Mitbürgerinnen und Mitbürger um. Hier sind wir gefordert. Lassen wir uns nicht
verunsichern und ängstigen durch militantes Geschwätz von Ostflanke und
Marschflugkörpern!
Es ist an uns, durch sachliche Informationen aufzuklären, ins Gespräch zu gehen
und jenseits parteipolitischer Interessen deeskalierend zu wirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.