Bericht zur Informationsveranstaltung der Bürgermeisterin in Rheine

Annette Floyd-Wenke

Annette  beschreibt hier ihre persönlichen Eindrücke von der Info-Veranstaltung "Wir leben über unsere Verhältnisse":

Mit den Worten „Rheine muss sparen“ eröffnete die Bürgermeisterin die Infoveranstaltung und stellte die Diskussionspartner auf dem Podium einem Auditorium von Bürgern vor, deren Durchschnittsalter gutgemeint etwa 50+ betragen dürfte. Der Saal war nicht voll besetzt und trotzdem freuten sich die hoch oben sitzenden Ratsmitglieder und Stadtverwalter über das rege Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Frau Dr. Kordfelder nun ermunterte die Anwesenden ausdrücklich, sich mit Vorschlägen und Anregungen zu Einsparungen im Haushalt 2011 zu beteiligen. Sie vergleicht den Haushalt der Stadt mit der Haushaltsführung einer Hausfrau, die €1000 zur Verfügung hat und einsieht, dass dies keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung ihrer Familie sind. Hätte sie diesen Gedanken doch nur weiterverfolgt! Sie wäre zwangsläufig zu den richtigen Schlussfolgerungen gelangt. Stattdessen erklärt sie, dass die sozialen Belastungen den finanziellen Rahmen der Stadt sprengen und verweist auf das Konnexitätsprinzip. Ihr Fazit: Ohne Umverteilung geht es nicht. So also ist der Schuldige schnell ausgemacht und der Kämmerer kann übernehmen. Nüchtern, fast schon gelangweilt, klärt dieser zunächst kurz das Procedere der Veranstaltung und erläutert dann die Zahlen und Daten zur Haushaltssituation. Das kann man ebenso kurz zusammenfassen: Wie in alle anderen Kommunen auch, übersteigen in Rheine die Aufwendungen die Einnahmen. Konkret im aktuellen Haushalt um €8,4 Mio. Noch vor der Eröffnung der Diskussion wirft er mit der letzten Folie, die mit den Worten Nothaushalt, Erhöhung der Gewerbesteuer, Erhöhung der Grundsteuern Konsolidierung

 

Das Publikum reagiert zunächst mit Redebeiträgen. Der Wirtschaftsförderung wird vorgeworfen wenig kreativ zu arbeiten und es wird die Frage nach der weiteren Verwendung des Hertie-Gebäudes aufgeworfen. Mit einem Budget von €500.000 allein an Personalkosten solle es doch möglich sein, mehr Firmen in Rheine ansiedeln zu können. Die Zuständigen auf dem Podium unternehmen ausführliche Erklärungsversuche und man gewinnt den Eindruck, dass hier die Veranstaltung an Bürgernähe verliert. Dann aber kommt der Vorschlag, die Stadt möge auf Geschenke an Vereine etc. verzichten und die Sitzungsgelder, die Aufwandsentschädigungen für die Politiker und den Anteil der Freien Träger um 10% zu kürzen. Das bringt ein wenig Stimmung in den Saal und zum ersten Mal wird deutlich, wie die Bürgerinnen und Bürger die Experten auf dem Podium und den Rat der Stadt wahrnehmen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU Niehues versteigt sich darauf in Belehrungen an den Fragesteller. Dieser Vorschlag würde nur vielleicht €500.000 einbringen, das aber sei nicht genug. Mehr Geld vom Land müsse her. Die Bürgermeisterin erklärt dem Publikum, dass die Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder gesetzlich festgelegt sind und die Ratsmitglieder ihre Aufgabe als Ehrenamt wahrnehmen. Insofern sei ihr Engagement zu würdigen. Die Richtung der Diskussion wird immer deutlicher. Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger sollen Vorschläge zur Konsolidierung des Haushaltes anhand konkreter Einsparmöglichkeiten vortragen, die in die Haushaltsberatungen einfließen sollen. Das Plenum schlägt tatsächlich vor, „Standards“ zu reduzieren und fragt nach, auf welche Leistungen man bereit wäre zu verzichten. Die Reaktionen aus dem Publikum gehen folglich auch genau in diese Richtung: Schließung des Falkenhofs, Verkauf des Klosters Bentlage, Pflege der Grünanlage durch die Bürger. Braucht Rheine die Ganztagsbetreuung an allen Schulen? Braucht Rheine zwei Schwimmbäder? Können die Anzahl der Mitglieder in den Gremien und Ausschüssen des Stadtrates nicht reduziert werden? Können Liegenschaften verkauft werden? Warum muss man so zahlreiche und teure Gutachten beauftragen, haben wir keine eigenen Spezialisten?

Ein Beitrag aus dem Publikum, der  vorschlägt, verrottende Immobilien im Stadtkern zu kommunalisieren, wird mit Lächeln und Empörung zurückgewiesen. Die Dame hinter mir raunt: „Das ist doch purer Kommunismus, das geht doch nicht!“

Unter den Anwesenden waren aber auch ein paar junge Menschen. Durch ihre Äußerungen wurden die Podiumsmitglieder ermahnt, mehr Bürgerbeteiligung zuzulassen.

Mein Fazit der Veranstaltung:

Selbst die Interessierten, die an dieser sogen. Informationsveranstaltung teilnahmen, sind über den Sachstand kommunaler Finanzstrukturen nicht ausreichend informiert. Und auch nicht über die Teilhabe und Gestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger für ihre Kommune und an ihrer Politik. Es mangelt an Informationen und dem Verständnis für die Notwendigkeit der Erbringung „freiwilliger Leistungen“.

Richtig Frau Bürgermeisterin, man kann mit €1000 keine Familie ernähren. Streicht man deshalb den Schwimmbadbesuch der Kinder? Oder zahlt man deshalb keine Miete mehr? Drehen wir die Heizung noch weiter runter? Nein, erst einmal fragen wir den Chef nach einer Gehaltserhöhung. Der sagt: Tut mir leid, mehr Geld ist nicht, wir haben keine Aufträge. Und dann? Wie wäre es, wenn wir die Einnahmen steigerten? Auch Mutti kann arbeiten gehen, wenn angemessene Kinderbetreuung und gleichgestellte Bezahlung gewährleistet ist. Und Vati könnte für einen gesetzlichen Mindestlohn arbeiten. Dann könnten wir alle mit unseren Steuern mehr Geld in die kommunalen Kassen spülen und unsere Stadt bliebe lieben- und lebenswert. Dann finanzieren wir gerne die Stiefmütterchen auf den Beeten der Brücken und eine Stadthalle und unseren Falkenhof und auch die Stadträte, die uns zuhören, auf unsere Bedürfnisse eingehen und sich für uns einsetzen.

 

Annette Floyd-Wenke

Ortsverbandssprecherin OV Rheine