Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2022

DIE LINKE. Kreistagsgruppe Steinfurt

Liebe Mitmenschen,

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Sommer,

Sehr geehrte demokratische Mitglieder des Kreistags,

dem geplanten Kreishaushalt für das Jahr 2022 können wir nicht zustimmen. Im Kreis Steinfurt soll eine soziale, progressive und zukunftsorientierte Politik gemacht werden. Mit dem vorliegenden Haushaltsplan wird das aber nicht möglich sein.

Wichtige Änderungsvorschläge zum Haushaltsplan werden mit dem Verweis auf die Kreisumlage abgetan. Für Soziales, für Umwelt- und Klimaschutz werden dringend zusätzliche Mittel benötigt, aber genau da soll nun der Rotstift angesetzt werden. Besonders in Sachen Klimaschutz sollen sogar 2,0 Stellen gekürzt werden, welche den kreisangehörigen Kommunen die Refinanzierung gewollter Investitionen über verschiedene Förderprogramme ermöglichen sollten. Ist es wirklich sinnvoll und realistisch, die für die komplizierten Förderanträge notwendige Expertise in jeder einzelnen Gemeinde aufzubauen, anstatt diese beim Kreis Steinfurt vorzuhalten? Uns ist klar, dass die Gemeinden finanziell handlungsfähig bleiben müssen, weshalb wir uns auch im Bund für eine Umstrukturierung des Finanzierungs- und Steuersystems einsetzen – leider blieben LINKE Vorschläge zur Verbesserung der kommunalen Haushalte von den neoliberalen Parteien ungehört.

Einige Mitglieder genau dieser Parteien sollten sich vielleicht mal fragen, ob ihr politischer Einsatz nicht lieber auf andere Stellschrauben wirken sollte, als die Daseinsvorsorge im eigenen Kreis anzugreifen. Wenn in Zeiten der Pandemie einige kommunale Verwaltungen solche Ausgaben für unnötig halten, mit denen von der Pandemie (und durch gesundheitspolitisches Versagen notwendig gewordene Maßnahmen) besonders betroffene Kinder und das überarbeitete Lehrpersonal unterstützt werden, stellen wir uns die Frage: Werden bei diesen Verwaltungen die richtigen Prioritäten gesetzt? An welcher Stelle wären die dafür notwendigen 300.000€ ihrer Meinung nach besser aufgehoben? - Wir LINKEN glauben, die Unterstützung für junge Menschen darf gerade jetzt keinesfalls zurückgefahren, sondern sollte weiter ausgebaut werden!

Notwendige Investitionen in die Schulinfrastruktur werden vom Kreis bereits über Kredite realisiert. Wir begrüßen dieses Handeln unter den aktuellen finanziellen Voraussetzungen ausdrücklich, aber scheinbar sind sich nicht alle, (die dem selbst zugestimmt haben,) auch darüber im Klaren, dass entsprechende Forderungen in den nächsten Jahren zurückgezahlt werden müssen. Wenn wir – wie von der CDU gefordert – im Kreis Steinfurt „die besten Schulen“ haben wollen, muss dafür nun mal auch Geld ausgegeben werden. Wie soll das gehen, wenn die Kreisumlage keinesfalls steigen darf? Indem man stattdessen andere Aufgabenbereiche kaputt spart und dort neue Probleme schafft? Wann kommt der oder die Erste wieder auf die Idee, das Gesundheitsamt zu streichen?

Für einen besseren ÖPNV, von dem ebenfalls die Kommunen profitieren würden, ist nach dieser Logik, die an den Umgang mit der „Schwarzen Null“ im Bund erinnert, auch kein Geld dar. Die Barrierefreiheit wird in die Zukunft verschoben, aber der Ausbau der Kreis-Straßen soll planmäßig fortgeführt werden. Wer an einem nicht barrierefreien Bahnhof seine Umsteigemöglichkeit verpasst und sich kein Taxi leisten kann, muss dann eben mit dem Kinderwagen die Nacht vor Ort verbringen…?

Grundlegende Daseinsvorsorge wird im Kreis Steinfurt nicht ausreichend finanziert, aber gleichzeitig leistet sich der Kreis Steinfurt einen Flughafen, der sicherlich nicht zur grundlegenden Daseinsvorsorge gehört. Ohne eine einzige Bedingung erfüllen zu müssen erhält die FMO GmbH vom Kreis Steinfurt erneut mehr als 3 Mio. Euro. Dabei ist bereits seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2014 klar, dass Flughäfen ab 2024 ohne Subventionen auskommen müssen. Statt sich endlich um eine ehrliche Perspektive für die Mitarbeiter:innen zu kümmern, wird mit aller Vehemenz an diesem vermeintlichen Prestige-Projekt festgehalten und noch mehr Geld in ein schwarzes Loch gepumpt, welches bereits einen dreistelligen Millionen-Betrag verschlungen hat.

Wer sich unvoreingenommen mit den Zahlen und Fakten beschäftigt, muss zu dem Schluss kommen, dass für den FMO ohne Subventionen Schluss sein wird. Alle Umfragen und Prognosen bestätigen, dass Geschäftsreisen selbst nach Ende der Pandemie keinesfalls die Zahlen der Vergangenheit erreichen werden, sondern wohl nur noch 70% dessen. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) hat sogar schon vor Ausbruch der Pandemie für 2020 mit einem Passagierrückgang gerechnet. Nur der Frachtverkehr wird nicht zu einer finanziellen Konsolidierung des FMO führen. Zumindest zu keiner, die ohne Entlassungen auskommen wird.

Weder der Verantwortung zukünftiger Generationen noch den Beschäftigten gegenüber wird man gerecht, indem man sein politisches Handeln an ein weiteres Gutachten bindet. Dieses wird die bereits ungenutzte Zeit nicht zurückbringen und die bei so einem Projekt notwendige Beteiligung von Beschäftigten und Bürger:innen unnötig erschweren, wenn „plötzlich“ kurzfristig Fakten geschaffen werden (müssen). Das Urteil vom EuGH ist ja erst 7 Jahre alt…

Damals, 2014, lag die Kreisumlage im Kreis Steinfurt übrigens bei deutlich über 30 Prozent. Heute liegt sie mit 27,8% weit unter dem Durchschnitt und gehört zu den niedrigsten im ganzen Land. Bei all den vorgeschlagenen Einsparungsmöglichkeiten, um die Kreisumlage bei 27,8% zu halten, vergessen die Fraktionen außerdem, dass man dem eigenen Portemonnaie vor wenigen Monaten noch eine saftige Finanzspritze gegönnt hat. Statt für bis zu 50 Fraktionssitzungen können einem Fraktionsmitglied jetzt bis zu 80 Sitzungen im Jahr entschädigt werden. Bereits mit 50 entschädigten Sitzungen lag der Kreis im Vergleich mit anderen Kommunen an der Spitze. Jetzt kann jedes Fraktionsmitglied weitere 1.305€ verlangen, bis zu 3.480€ (nur an Sitzungsgeldern!) im Jahr.

Hoffen wir, dass diese zusätzlichen Gelder auch für konstruktive Sitzungen genutzt werden, bei denen mehr gute Ideen für unseren Kreis entstehen, wie sie es teilweise auch in den Haushaltsplan geschafft haben. Da aber zu viele Baustellen nicht angegangen und teilweise falsche Prioritäten gesetzt werden, müssen wir diesen wie bereits angekündigt ablehnen.