Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige im Kreis Steinfurt!

DIE LINKE. Rheine

Von März bis Mai, und auch darüber hinaus, wurde zur Vermeidung weiterer Infektionen der Unterricht an den Schulen hauptsächlich digital fortgesetzt. Das so genannte Homeschooling war verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler. Viele Schulen konnten nicht, oder nur teilweise die notwenige Ausstattung zur Verfügung stellen. In vielen einkommensschwachen Haushalten entstand bei den Kindern und Jugendlichen so ein kaum mehr aufzuholender Bildungsrückstand. Den Eltern fehlte schlicht das Geld, ihren Kindern PCs, Tablets und Drucker zu finanzieren. Wie auch? Im Regelsatz sind solche Anschaffungskosten nicht enthalten. 

So sind in den Jobcentern des Kreises Steinfurt, wie überall in der Republik auch, Anträge zur finanziellen Unterstützung eingereicht worden, die diesen Mehrbedarf zumindest teilweise hätte abdecken können. Und was macht das Jobcenter? Es stellt diese Anträge zurück, um das weitere Vorgehen von Bund und Länder bis zum Ende der Sommerferien abzuwarten. 

 

Ungeachtet dessen, dass das Landessozialgericht NRW in zwei Beschlüssen bereits im Mai den Anspruch auf digitale Endgeräte und damit diese als „pandemiebedingten Mehrbedarf“ bestätigt hat, weist das Jobcenter Kreis Steinfurt seine Mitarbeiter an, eingehende Anträge abzulehnen. In den Ablehnungsschreiben, so schlägt der Kreis seinen Sachbearbeitern vor, soll eine Bezuschussung nicht anerkannt werden, weil es sich bei der Anschaffung eines Laptops  nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf handelt. Dort wird gar behauptet, dass im SGB II keine andere Rechtsgrundlage anzuwenden sei. 

 

DIE LINKE. fordert, dass dieses ungeheuerliche Verfahren sofort eingestellt wird und dass die Anträge, auch die bereits abgelehnten, bewilligt werden!

Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II ist dieser Bedarf auf Zuschussbasis zu erbringen.
Es handelt sich hier um einen anzuerkennenden unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf, so die Richter im Urteil: LSG NRW vom 22.05.2020 - L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B ER

In diesem Zusammenhang möchten wir neben dem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts zum „Schulmehrbedarf“ auf eine Reihe von sozialgerichtlichen Entscheidungen hinweisen, in denen Schulcomputer basierend auf § 21 Abs. 6 SGB II erfolgreich erstritten wurden. Gewährt wurden beispielsweise:

• Laptop inklusive Zubehör für 500 € (SG Cottbus v. 18.12.2019 - S 29 AS 1540/19 ER), 

• PC mit Drucker, Software und Einrichtung für 600 € (LSG Schleswig-Holstein v. 11.01.2019 - L 6 AS 238/18 B ER),  

• internetfähiger PC, nebst notwendigem Zubehör und Serviceleistungen in Höhe von 600 € (SG Gotha v. 17.08.2018 - S 26 AS 3971/17), 

• Tablet im Wert von 369 €, welches seitens der Schule benötigt werde (SG Hannover v. 06.02.2018 - S 68 AS 344/18 ER), 

• Laptop im Wert von 399 €, welcher explizit für die Schule notwendig sei (SG Stade v. 29.08.2018 - S 39 AS 102/18 ER), 

• internetfähiger PC im Wert von 350 € (SG Cottbus v. 13.10.2016 - S 42 AS 1914/13), 

• Laptop für 379 € (SG Kiel v. 25.10.2019 - S 38 AS 348/18), 

• gebrauchter PC für 150 € bei Besuch der Berufsfachschule I für Informationsverarbeitung und Mediengestaltung (SG Mainz v. 07.10.2019 - S 14 AS 582/19 ER)

• Tablet für 150 € als Coronabedingter Mehrbedarf (LSG NRW 20.05.2020 -  L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B ER).

Annette Floyd-Wenke, Fraktionssprecherin der Linken im Rat der Stadt Rheine dazu: “Es ist nicht auszuschließen, dass mit dem Schulstart nach den Sommerferien auch im Kreis Steinfurt wegen coronabedingten Infektionsausbrüchen wieder Schulen geschlossen werden müssen. Das dann damit erneut verpflichtende Homeschooling darf nicht dazu führen, dass ohnehin einkommensschwache Haushalte mit Kindern wieder in Bildung und Teilhabe benachteiligt werden! Hier muss das Jobcenter des Kreises Steinfurt eine klare Kehrtwendung zu den bisherigen Anweisungen vornehmen“.